Der fünfte Tag auf dem Camino

Wir hatten morgens eine schöne Unterhaltung mit der Wirtin der Pilgerherberge, die unsere Frühstückszeit dadurch über die geplante Zeit hinweg dauern ließ. Die Herberge glänzt nicht nur mit einer besonders aufmerksamen, sondern auch besonders fleißigen Wirtin: Das Frühstück stand auf dem Tisch, es gab sehr leckere selbstgemachte Marmeladen aus Waldfrüchten, Mirabellen und anderem Obst. Außerdem konnten wir uns mit selbstgemachtem Eistee erfrischen – Pfefferminztee mit Zitronen!

Der Frühstücksraum war auch gleichzeitig ein Aufenthaltsraum, der mit viel Holz und Liebe für Details und ein gemeinsames Miteinander punktete. Es gab Gesellschaftsspiele, einen Couchtisch mit Couch, den Esstisch mit Stühlen, an dem wir frühstückten, und eine Theke.

Wir lernten zwei weitere Pilger kennen, die zusammen unterwegs waren. Einer aus Hamburg, der andere aus Rostock. Es wurde eine heitere Runde und unterhielten uns darüber, dass sie mit den Rädern pilgern und noch 70 von Trier entfernt sind – das sollte in einem Tag zu schaffen sein, weil sie immer an der Mosel entlang radeln wollten.

Schließlich holten wir uns noch einen weiteren Pilgerstempel und brachen auf. Nebel lag auf den Bergen und die Luft war frischer als an den Morgenden zuvor. Es war angenehm, zu laufen und die Frische linderte zunächst alle Anzeichen von Anstrengung.

Dann ging es allerdings wieder bergauf. Nicht so lange, aber doch etwas steil. So machten wir kleine, kurze Pausen, denn wir wollten nicht viel Zeit verlieren. Die Luft wurde klarer und der Weg führte uns wieder zwischen viele Weinfelder bis nach Bernkastel-Kues. Die ersten Anzeichen einer Stadt gab es durch eine sehr alte Mauer, daneben ein verputztes Haus mit einer Informationstafel, die erklärte, dass das Haus einmal ein Gefängnis war. Es folgte ein schönes Stadttor, hinter dem wieder verwinkelte Straßen und Häuser lagen.

Auf der Tafel an einem Haus stand:

Küss bezeiten
schöne Mädchen.
Trink beizeiten
guten Wein.
Bald zerreißt Dein
Lebensfädchen,
und ein and’rer küsst
die Mädchen
und ein andrer trinkt
den Wein.

Sehr viele Läden standen leer oder waren geschlossen. An einem Fenster stand in weißen handschriftlichen Buchstaben geschrieben:

Geöffnet wenn wir Bock haben

So liefen wir weiter, bis wir ein Eiscafé fanden. Dort bestellten wir eine Flasche Riesling, die wir uns teilten. Sicher war es der Anstrengung und der Sonne geschuldet, dass der Wein etwas zu Kopfe stieg. So bezahlten wir und machten uns kichernd auf den Weg. Ich musste noch zu einer Tourist Info, um Unterstützung bei der Suche nach dem nächsten Zimmer zu bekommen. Außerdem gab es wieder einen Pilgerstempel. Fast vergessen: Vor dem Café nebenan machten sich gerade der Vater und die Tochter Platz, die wir gestern bei der Marienburg getroffen und in Zell an der Mosel wieder verloren hatten.

Pilgerstempel und ein neues Zimmer bekam ich schnell bei der Tourist Info und so liefen wir weiter. Noch kurz was Süßes bei einer Bäckerei und es ging an einem Riesenrad vorbei. Uns holten das wiedergetroffene Vater-Tochter-Gespann ein und wir folgten gemeinsam dem weiteren Camino an der Mosel entlang. Zwischendurch mussten wir hintereinander herlaufen, weil Radfahrer uns passierten. An einer Stelle brach dann mein Wanderstock entzwei, der am ersten Tag beim Sturz auf einem schmalen Weg leicht verbogen war. Mit einem Wanderstock ging es weiter.

Bei einem erneuten Aufstieg waren wir dann wieder zu zweit. Wir hattten genügend Zeit und gönnten uns zwischendurch Pausen. Der kaputte Wanderstock wanderte in den nächsten Mülleimer, den ich bei schönster Aussicht finden konnte.

Es ging weiter an reiferen Weinstöcken (an denen wir kosteten: Lecker!) vorbei bis nach Osann-Monzel.

19 km habe ich geschafft und heute gönne ich meinen Füßen mehr Ruhe.

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