Der Tag begann mit einem netten kleinen Frühstück. Nichts Besonderes, aber es gab ein Frühstücksei, das perfekt war: Eigelb weich, Eiweiss fest. Außerdem auch kleine Pflaumen, Aufschnitt und eine ganze Kanne Kaffee. Außer mir waren vier Monteure im Speiseraum. Ich ließ mir nicht viel Zeit und schaffte es, pünktlich um halb acht beim einzigen Supermarkt vor der Tür zu stehen und auf Einlass zu warten. Pünktlich mit dem Kirchengong ging die Jalousie hoch. Ich kaufte Äpfel und Wasser, weil das Wasser in der Herberge sehr chemisch roch und ich meinen Trinkvorrat entsprechend nicht erneuert hatte.
Dann ging es weiter zu Anjas Unterkunft, dem „Zimmer am Weg“. Sie frühstückte, als ich ankam, und berichtete von einer Abkürzung, die die Wirtin kennt und uns mitteilen wollte. Nein, nichts für mich, ich wollte gerne den ganzen Camino gehen. Also brach ich ohne Anja auf. An diesem Tag sollte es über 30°C warm werden und die wollte ich nicht auf dem Camino erleben, sondern erst möglichst nahe am Ziel.
Also lief ich schon um acht Uhr weiter. Wolken legten sich an die Berghänge und hüllten sie ein. Sie lösten sich langsam auf und ließen interessante Streifen zurück. Es sah alles sehr idyllisch aus. Die Luft war leider nicht so frisch wie gestern, aber trotzdem noch angenehm.
Es gab wieder zahlreiche Weinfelder zu sehen. Auch ein paar Brunnen tauchten auf, doch sie führten kein Wasser.
Es ging unaufgeregt weiter. Ich schaffte etwa 5 km Weg in einer Stunde und kam noch am Vormittag in Klausen an. Klausen ist ein Wallfahrtsort mit einer Kirche im üblichen Stil: Weiße Steine, rot abgesetzt, mit dunklem Kirchendach. Ich entdeckte die Eberhardsklause, einen Dorfladen mit angebundener Herberge für Pilger. Der Laden ist sehr gut sortiert und ich kaufte etwas für die Hygiene und weiteres Wasser (das gleich aufgetrunken wurde). Mittlerweile wurde es doch etwas warm und ich war durstig geworden.
In der Eberhardsklause gab es sogar zwei Pilgerstempel. Neue Einträge in meinem Pilgerpass
Gleich danach ging es weiter. Die Sonne hatte mittlerweile an Kraft gewonnen und sendete ihre Strahlen auf mich herab. Die Erfrischung wirkte noch und nach einem annehmbaren Aufstieg führte der Weg in ein Waldgebiet. Der Schatten spendete willkommene Frische und ich konnte einfach weiterlaufen. Es folgten schließlich wieder sonnige Abschnitte, sogar ein Geocache in einem kleinen Waldstück, und ein weiterer, nicht funktionierender Brunnen an einer Raststelle, neben einer kleinen, liebevoll gepflegten Kapelle.
Nach einer kurzen Rast ging es schon weiter, immer auf die Bergspitzen. Die Panoramen, die sich vor mir ausbreiteten, waren atemberaubend. Die Mosel zog eine weitere Schleife und überall schmiegten sich die Städte an ihren Lauf. Der Anblick war schön, aber die Sonne brannte mittlerweile im Zenit auf mich herunter. Ich ließ mir wenig Zeit, denn ich wollte zur nächsten Pension kommen.
Bevor ich zu meinem Ziel Klüsserath kam, musste ich wieder Weinfelder passieren. Die Muschel-Wegweiser führten mich hindurch und ich probierte noch einmal Trauben. Sie waren hier zwar auch klein, aber schon viel süßer und damit genießbar.
Schließlich ging es deutlicher bergab und ich erreichte schon um 13 Uhr die Stadt. Sie erschien schmuckloser als die Orte zuvor und es fehlte auch an Touristen. Ein Dorf, dessen Bewohner sich vor der Sonne in den Häusern schützten und nicht in Erscheinung traten.
Es gibt hier eine Kirche, die sehr schön und aufwendig ausgestattet ist. Die Anzahl der Kirchbänke entspricht eher nicht der geringeren Zahl an Bürgern die hier leben, so meine Vermutung.
Es gibt zwei Pizzerien, ein wegen Corona geschlossenes Museum und einen großen Campingplatz, der die Stadt auf Abstand hält zur Mosel. Viele Dauercamper, nur wenige junge Menschen.
Am Abend saßen Anja, Josef, Anna und ich zusammen beim Italiener (ja, Vater und Tochter aus dem Münsterland haben Namen) und speisten dort vorzüglich.
Später genossen wir noch einen Wein der Hauswirtin und lachten und erzählten uns gegenseitig. Es war ein schöner Tag, aber für meinen Geschmack zu wenig „Camino“. Klüsserath war einmal mehr von Tourismus geprägt. Der Bürgermeister erzählte Anja und mir, dass ein erneuter Versuch, einen Supermarkt mit regionalen Produkten zu eröffnen, nach nur anderthalb Jahren an den fehlenden Kunden scheiterte. Die Bürger fahren lieber in die umliegenden Orte und kaufen in den Supermärkten ein.
Jetzt, wo ich das schreibe, muss ich daran denken, wie oft ich im Internet Dinge bestelle, statt im örtlichen Handel nachzusehen. Der Preis bestimmt das Überleben und nicht der Verstand. Das trifft mittlerweile auf so viele Dinge zu.
Das war mein sechster Tag auf dem Camino.